Lost
- Julia Schmitt
- 8. Nov. 2024
- 4 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 25. Feb.

Es war mal wieder soweit. Ich mache es viel zu selten, obwohl ich mich jedes Mal danach so gut fühle. Waldspaziergänge!
Und so packte mich letzte Woche die Motivation und ich entschied mich am Samstagvormittag einen Waldspaziergang zu machen. In einer Gegend, in der ich schon einmal unterwegs war. Da konnte ja eigentlich nicht viel passieren. Ich wusste, ich bekomme einen schönen Mischwald zu sehen, zwischendrin, wenn ich Lust haben würde, könnte ich mich hier und dort mal hinsetzen, da an den Wegesrändern einzelne Bänke verteilt waren und beim letzten Mal hatte ich eine gute Stunde für den Spaziergang gebraucht. Also eine ganz fluffige Zeit. Für mich als eher untrainierten Wanderer doch eigentlich eine fantastische Wahl. Ich wachte am Samstagmorgen auf, trank einen Tee, stärkte mich mit einem köstlichen Frühstück, zog die Wanderschuhe an und los ging’s zu meiner Wanderroute.
Abgesehen davon, dass der Wald natürlich ganz anders aussah als beim letzten Mal(, denn da war Sommer,) erkannte ich doch den ein oder anderen Teil der Strecke wieder und freute mich, diese gute Entscheidung getroffen zu haben. Jeder Schritt raschelte; was daran lag, dass die Waldwege voller Herbstlaub waren, aber auch daran, dass ich einen Regenparker anhatte, der bei jeder Bewegung einfach ein wenig raschelte. Also raschelte ich so weiter vor mich hin, war glücklich, dass es nicht regnete, ließ zwischendrin nach einer tiefen Einatmung mal einen Seufzer los, und mein Handy blieb die ganze Zeit in der Tasche. Denn das hatte ich nur für Notfälle eingepackt.
Zwischendrin dachte ich tatsächlich das Grunzen eines Schweines, in dem Falle wahrscheinlich ein Wildschwein zu vernehmen; was mich doch sehr überraschte, denn aufgrund meines lauten Geraschels hatte ich erwartet, dass jedes Lebewesen im Umkreis von 100m das Weite suchte. Einen kurzen Moment stellte ich mir vor, dass ein wildgewordener Eber mich über den Haufen rennen würde, aber dann vertraute ich doch meiner freundlichen und tierzugewandten Ausstrahlung. Frau Wildsau wird schon merken, das ihr nichts Böses will. Ich genoss es, nicht alleine im Wald zu wandern und wohnte dem weiteren Grunzen mit viel Wohlwollen bei. Irgendwann wurde es leiser und leiser, bis es ganz verschwand und ich wieder so alleine vor mich hin raschelte.
Den Wanderweg, den ich mir ausgesucht hatte, gibt es in der einfachen Variante (circa 4,5 Kilometer) oder in der Premium Variante (circa 11,5 km). Irgendwann kam ich an die Weggabelung, an der ich mich entscheiden musste, ob ich die Abkürzung nehme, oder die Premium Strecke. Meine Hand zuckte kurz zu meiner Jackentasche, da ich auf mein Handy schauen wollte, um zu prüfen wie viel Uhr es ist. Doch dann rief ich mich selber zu Ordnung: „Die Uhrzeit ist völlig egal!“ Denn ich hatte nichts weiter vor, also durfte ich diese Entscheidung einzig und allein aufgrund meines Gefühls treffen. Und das sagte: go for it! Darum bog ich rechts ab, Richtung Premium Weg und rutschte fast erst mal auf dem Schlammboden aus. Aber davon ließ ich mich nicht beirren, sondern trabte weiter vor mich hin. Allerdings führte der Wanderweg jetzt aus dem Wald heraus, an einem Feldrand entlang; was zwar auch irgendwie ganz nett war, aber doch nichts mehr mit einem Waldspaziergang auf sich hatte. Nachdem ich dann an mehreren Hochsitzen vorbei kam und mir einen Moment Zeit nahm, um begeistert dabei zuzuschauen wie ein einzelnes Dorf ein kurzen Moment von der Sonne angeschienen wurde, obwohl der Himmel eigentlich Wolken bedeckt war, ging es wieder in den Wald, und ich beglückwünschte mich im Stillen zu meiner Entscheidung, den längeren Weg genommen zu haben.
Und auf einmal war er da, der Moment, in dem ich dachte: „Wtf?!“
Ich stand mitten im Wald und wusste nicht mehr, wo der Weg war. Meines Erachtens nach war er einfach nicht mehr erkenntlich, vielleicht aufgrund des vielen Laubs, oder ich habe ihn nicht mehr wahrgenommen. Ich stieg über gefallene Äste, zersplitterte Baumstämme, bückte mich unter Sträuchern und rettete meinen Fuß, der sich in einer dornenbehafteten Schlingpflanze verheddert hatte. Und dann konnte ich es leider nicht mehr verhindern: Ich zückte mein Handy und rief das Navigationssystem auf, um mich wieder auf den Pfad der Hoffnung zurückführen zu lassen. Denn ich war lost!
So ganz die Outdoor-Lady bin ich doch noch nicht. Ich war sehr dankbar, mein Handy mit eingepackt zu haben, um es für den Notfall dabei zu haben, und dieser Notfall hieß bei mir: ich hatte keinen Schimmer mehr, wo ich war. Ich sah buchstäblich den Wald vor lauter Bäumen nicht! Nachdem ich mithilfe des Navigationssystems dann wieder auf den richtigen Weg gelangt war, begann ich wieder zufrieden vor mich hin zu rascheln und meinen Waldspaziergang gemächlich zu beenden; der dann weder 4,5km noch 11,5km lang war, sondern 7,5 km. Obwohl das nirgendswo eingezeichnet war. Also habe ich entweder eine fantastische Abkürzung genommen oder einen phänomenalen Umweg! Nichtsdestotrotz war der Weg das Ziel. Meine Lungen sind voller frischer Luft, auf meinem Handy befinden sich zehn neue, fantastische Herbst Fotos und mir strahlt das Glück aus dem Hintern, dass ich mir erstens Zeit für mich und in der Natur genommen habe und zweitens den Weg wieder nach Hause finden durfte!
Es geht doch nichts über einen Ausflug in die wundersame Natur!